…zu den Ansprüchen
Freiraum
Ein Anspruch des Projektes bestand darin, die besondere Expertise von Offener Kinder- und Jugendarbeit und Familienbildung gezielt einzusetzen um darauf hinzuwirken, dass bei der Gestaltung von Kommunalen Bildungslandschaften nicht nur Institutionen berücksichtigt werden (wie es in anderen Modellen der Fall ist), sondern auch Freiräume.
Grundsätzlich bestätigte sich diese Schwierigkeit auch im Projekt. Aus dem bewussten Umgang damit ging jedoch gerade durch die Schwerpunktsetzung an einem Standort eine neue Expertise hervor. Aussichtsreich ist zum einen eine Sensibilisierung der Kooperationspartner_innen für die Wichtigkeit informeller Lernorte. Die Schaffung eines Bewusstseins für ihre Bedeutung verhindert, dass die Akteur_innen bei der Gestaltung von Kommunalen Bildungslandschaften in den institutionellen Kategorien des gegenwärtigen Bildungssystems denken.
Zudem brachten sie die Thematik ganz praktisch auf die Agenda und zielten mit unterschiedlichen Zugängen und Ansätzen auf die Schaffung neuer sowie die Sicherung oder den Ausbau bestehender Freiräume ab. Allen Ansätzen gemein ist die Voraussetzung, die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu hören und diese ernst zu nehmen. So konnte beispielsweise ein Park, in dem sich Kinder angstbedingt nicht mehr aufhielten, durch gezielte Spielangebote wieder belebt und als neuer Freiraum genutzt werden. An anderer Stelle konnten neue Freiräume geschaffen werden, indem verschiedene Akteur_innen mit zum Teil gegensätzlichen Interessen ins Gespräch miteinander gebracht wurden. Sensibilisiert für die Bedeutung von Freiräumen wurden so Absprachen getroffen, in denen sich verschiedene Parteien für mehr Akzeptanz für jugendliche Raumaneignung einigten.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit und die Familienbildung auch Anwält_innen der Freiräume und des informellen Lernens sind. Sie sollten ihre Expertise nutzen, um diese Orte in Kommunale Bildungslandschaften zu stärken.
Geschlechtssensible Kommunale Bildungslandschaft
Ein Anspruch von BILDUNG(S)GESTALTEN besteht darin, tatsächlich allen jungen Menschen Zugang zu bedürfnisorientierten Erfahrungs- und Lernorten bereitzustellen, indem geschlechtsbedingte Ungleichheiten bei Zugang und Nutzung dieser Angebote bewusst zum Thema gemacht wurden. Die geschlechterdifferenzierte Förderung, wie sie für die Einrichtungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert ist, ist auf Kommunale Bildungslandschaften aus Perspektive der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung zu übertragen. Mit Blick auf die angestrebte stärkere Einbindung von Orten des informellen Lernens ist diese Zielsetzung umso wichtiger, da Mädchen im Jugendalter gerade in Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit häufig unterrepräsentiert sind. Auch zu diesem Zweck wurde das Internationale Mädchenzentrum am Standort Gladbeck mit seiner Expertise und seinen innovativen Konzepten zur geschlechtssensiblen Pädagogik in das Projekt eingebunden.
Gut besuchte Fachveranstaltungen in drei Jahren Projektlaufzeit zeigten, dass die geschlechtssensible Pädagogik der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung für die Kommunale Bildungslandschaft ein anschlussfähiges und wichtiges Thema ist. Ebenfalls wurde somit deutlich, wie viel Nachfrage und Beratungs-, Austausch- und Unterstützungsbedarf unter den Fachkräften im Sozialraum für die Umsetzung in der eigenen Praxis besteht.
Durch die explizite Einbindung des Themas entstanden im Projekt neue Kooperationen und geschlechtssensible Angebote – die Bedarfe dafür wurden in der Zusammenarbeit ermittelt, die Entwicklung von Angeboten unterstützte wiederum die Zusammenarbeit der beteiligten Akteur_innen. Durch die Schaffung geschlechtssensibler Zugänge zu Bildungs- und Erfahrungsorten, die Bereitstellung von Aneignungsräumen für Frauen und Mädchen und indem die neu entwickelte Angebotsstruktur die Zielgruppe in ihren spezifischen Bedürfnissen ernst nahm, konnten Frauen und Mädchen im Sinne einer Angleichung der bislang ungleich verteilten Bildungschancen besser erreicht werden. Wichtige Impulse in dem Feld der geschlechtssensiblen pädagogischen Arbeit konnten auch in Kooperation mit den Fachkräften aus der Jungenarbeit gesetzt werden.
Sehr deutlich wurde im Rahmen des Projektes, dass es für die Umsetzung der Angebote eigene Expert_innen geben muss, die die Initiative ergreifen und ein geschlechterdifferenziertes Konzept erarbeiten. Die Erfahrung zeigt, dass das Thema „geschlechtssensible Pädagogik“ nicht automatisch in den Kommunalen Bildungslandschaften vorkommt.
Die Umsetzung geschlechterdifferenzierter Förderung ist erfolgversprechend, wenn es in Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung eigene Konzeptionen sowie engagierte und reflektierte Mitarbeiter_innen gibt, die das Konzept in der Praxis „leben“ und wenn die Umsetzung der geschlechtssensiblen Pädagogik nicht zuletzt auch auf Leitungsebene als notwendig und unverzichtbar erachtet wird.
Förderstrukturen
Für die beteiligten Akteur_innen zeigte sich bei den strukturellen Rahmenbedingungen eine besondere Problematik, die sie nicht selbst beheben konnten, sondern die eine politische Lösung erfordern: Bzgl. der Durchführung bedarfsorientierter Praxisprojekte verfügte das Projekt – in gleicher Weise wie die beteiligten Einrichtungen vor Ort – über kein eigenständiges Budget. Die Praxisakteur_innen vor Ort konnten zwar zeitnah pädagogische Konzepte und Angebotsformen entwickeln, um auf akute Problemlagen zu reagieren, sie waren jedoch zu deren Verwirklichung auf die Akquise von öffentlichen Fördermitteln angewiesen.
Die Förderlogik zeigt sich aber wenig praxisnah, vielmehr läuft sie den pädagogischen Bedarfen entgegen:
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- So orientiert sich die Vergabe von Mitteln häufig mehr an einem undifferenzierten gesellschaftlichen Mainstream als an der pädagogischen Sicht auf vorhandene Bedarfe. Da derzeit besonders defizitorientierte Präventionsprojekte stark gefördert werden, sehen sich die Fachkräfte gezwungen, die stigmatisierende Betrachtung von sozialen „Brennpunkten“ und „Problemjugendlichen“ in ihren Anträgen zu reproduzieren. Projekte, die auf die Überwindung der Stigmatisierung abzielen, haben oft ungleich niedrigere Chancen auf eine erfolgreiche Bewilligung.
- Eine weitere Schwierigkeit stellen fehlende personelle Ressourcen dar. So fehlt in Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung mit geringem Personalschlüssel oder deren ehrenamtlichen Strukturen die Zeit und zum Teil auch das fachliche Knowhow für aufwändige Projektbeantragungen.
- Zudem sind Koordinierungs- und Overheadkosten in den Projekten nur selten in Abrechnung zu bringen. Wie die zahlreichen realisierten Praxisprojekte und deren positive Effekte in den Sozialräumen zeigen (Einen Überblick über die Praxisprojekte gibt es hier), stellt sich aber gerade die koordinierende, vernetzende und konzeptionelle Arbeit als elementar wichtige Tätigkeit für die Entwicklung von Kommunalen Bildungslandschaften dar.
- Außerdem scheitern zahlreiche Projektvorhaben bereits an den erforderlichen Eigenmitteln, da diese schlicht nicht vorhanden sind.
- Anhand von Beteiligungsprojekten lassen sich neben den organisatorischen auch praktische Schwierigkeiten der Antragsstellung verdeutlichen. Echte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen verlangt den Fachkräften ein hohes Maß an Flexibilität und die Bereitschaft zur Ergebnisoffenheit ab. Ohne diese Voraussetzung lässt sich nicht von echter Beteiligung sprechen. Bereits vor Projektbeginn eine dezidierte Maßnahme zu beschreiben und einen detaillierten Kostenplan vorzulegen ist dann jedoch unmöglich. Ebenso sind die den Partizipationsvorhaben oftmals vorgelagerten Befragungen nicht förderfähig, da beantragte Projekte vor dem Bewilligungszeitraum nicht begonnen haben und keine Mittel verausgabt werden dürfen.
- Bedarfsorientierte Förderstrukturen müssen zudem berücksichtigen, dass sich Kommunale Bildungslandschaften so dynamisch entwickeln müssen wie die Lebenswelten und (Bildungs-)Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und deren Familien. Die lange Bearbeitungsdauer vom Erkennen des Bedarfs und der Formulierung eines Konzeptes über die Antragstellung bis zur Bewilligung macht spontanes Reagieren und eine zeitnahe Umsetzung unmöglich.[/su_list]
Um Kommunale Bildungslandschaften zu fördern, muss die grundsätzliche sinnvolle Projektförderung bedarfsorientierter, dynamischer und flexibler gestaltet werden. Zudem benötigen die beteiligten Akteur_innen eine bessere Regelausstattung und abgesicherte Strukturen.