Das Projekt BILDUNG(S)GESTALTEN sollte bei den Menschen ankommen. Daher zielte das Projekt auf die praktische Umsetzung des Anspruches ab, Kinder und Jugendliche durch eine Neuorganisation von Bildung zu einer selbstbestimmten Lebensgestaltung zu befähigen. Zu diesem Zwecke wird mit den Ansätzen Vernetzung, Angeboten und der Öffentlichkeit gearbeitet. Diese Ansätze verfolgen die meisten Bildungslandschaftsmodelle; der Unterschied besteht darin, dass die drei beschriebenen Prinzipien (Sozialraumorientierung, Subjektorientierung und Partizipation) bei allen Ansätzen explizit berücksichtigt wurden.
Vernetzung
Da kaum jemand die vorhandenen Angebote und die Bedürfnisse junger Menschen und Familien vor Ort so gut kennt wie die Fachkräfte, die in ihrem Arbeitsalltag mit ihnen arbeiten, sollten sie für die Gestaltung bedarfsorientierter Bildungslandschaften die ersten Ansprechpartner_innen sein. Führen sie ihre verschiedenen fachlichen Perspektiven noch zusammen, ist es möglich, die Adressat_innen in ihrer Komplexität zu betrachten und entsprechende Lösungen zu entwickeln – sei es durch eine angemessene Erfassung ihrer Bedürfnisse, durch Beteiligungsprojekte oder durch neuartige Bildungsangebote. Der Kern des Ansatzes im Projekt BILDUNG(S)GESTALTEN besteht daher darin „Bildung durch Bindung“ zu erzielen, das heißt, die Bildungsakteur_innen im Sozialraum „von unten“ zusammen und in einen Austausch zu bringen.
Im Projekt verschafften sich die lokalen Steuerungsgruppen und Projektkoordinator_innen an den Standorten zunächst einen Überblick über bestehende Vernetzungsstrukturen und relevante Akteur_innen. Je nach den lokalen Gegebenheiten stand dann die Initiierung neuer bzw. die Weiterentwicklung bestehender Netzwerke an. In dem Rahmen sollten die beteiligten Akteur_innen zunächst ihre eigenen Bildungsziele formulieren, um sich dann gemeinsam mit denen der Kooperationspartner_innen auseinanderzusetzen. Ziel war die Schaffung von Verständnis und Akzeptanz der verschiedenen Bildungsverständnisse in ihrer Bedeutung für das Aufwachsen junger Menschen. Im Projekt BILDUNG(S)GESTALTEN sollte es ausdrücklich nicht zur häufig zu verzeichnenden Priorisierung von Angeboten und Anbieter_innen kommen, die in einem direkten Zusammenhang mit formalem Schulerfolg und Ausbildungsfähigkeit stehen.
Akteur_innen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung scheinen besonders geeignet dafür, die koordinierende Funktion zu übernehmen: Zum einen durch das Prinzip der Sozialraumorientierung, die hier traditionell verankert und gelebt wird, zum anderen aufgrund ihres Auftrages für die Förderung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Die Subjektorientierung half dabei, das gemeinsame Ziel im Auge zu behalten und zu verhindern, dass andere Themen oder institutionelle Bedürfnisse in das Zentrum der Vernetzung rückten. Ein wichtiges Element in dem Zusammenhang war die Qualifikation der Kooperationspartner_innen bezüglich der Lebenslagen und Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Andersherum spielte der Vernetzungsansatz eine große Rolle, weil im Projekt davon ausgegangen wurde, dass natürlich auch die Offene Kinder- und Jugendarbeit und die Familienbildung davon profitierten und sich professionalisierten. Neben der multiprofessionellen Vernetzung waren die Koordinator_innen auch für den Austausch mit den Jugendämtern sowie fachpolitischen Gremien zuständig. Sie sollten Impulse für eine optimale Förderung junger Menschen an kommunale Akteur_innen herantragen und ihnen als Ansprechpartner_innen bei der Umsetzung zur Verfügung stehen.
Großen Wert legte BILDUNG(S)GESTALTEN darauf, dass Vernetzung nicht als Spar- und Aktivierungsmodell missbraucht wird! Statt die träger- und professionsübergreifende Zusammenführung von Ressourcen als Sparmodell zu betrachten, zielten die Praxis-Projekte darauf ab, erfahrungsbasiert aufzuzeigen, welche Ressourcen nötig sind um dem Anspruch einer optimalen Förderung junger Menschen tatsächlich gerecht zu werden. Der Überzeugung, dass es sich bei der Koordination um eine anspruchsvolle, eigenständige Aufgabe handelt, die nicht nebenbei oder ehrenamtlich zu leisten ist, sondern Ressourcen erfordert, wurde im Projekt durch volle Stellen für Koordinator_innen Rechnung getragen. Zudem verfolgte das Projekt den Ansatz, dass das Eintreten für die Schaffung optimaler Bedingungen des Aufwachsens auch bedeutet, strukturelle Faktoren wie etwa Finanzierungsbedingungen, die diesen Prozess erschweren oder gar verhindern, zu identifizieren, offensiv zu benennen und mit vereinten Kräften für die politische Schaffung adäquater Bedingungen einzutreten.
Angebote
Damit die sozialräumliche Vernetzung von Bildung als erfahrbare Verbesserung ihrer Aufwachsens- und Lernbedingungen bei den Adressat_innen ankommt, braucht es entsprechende Angebote. Und weil Lernen nicht an Institutionen gebunden ist, sondern bei unterschiedlichen Gelegenheiten und an verschiedenen Orten stattfindet, sollte es bei der Gestaltung von Kommunalen Bildungslandschaften aus der Perspektive der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung um ein sinnvolles Zusammenwirken von institutionellen und informellen Lernorten sowie Angeboten im und für den Öffentlichen Raum gehen.
Um offene Bedarfe und Zugangshürden zu bestehenden Angeboten identifizieren zu können, standen an allen Standorten Bestandsaufnahmen über die Ausgangssituation und die Thematisierung der Bedarfe vor Ort am Anfang des Prozesses. Bei neu geschaffenen Angeboten sollten die Vorteile der bildungsbereichsübergreifenden Zusammenarbeit zur Geltung kommen und eine neue Qualität anvisiert werden, indem anstelle eines fachlich eindimensionalen Blicks eine multiperspektivische Sicht auf Kinder und Jugendliche eingenommen wird.
Bildung im Sinne eines ergebnisoffenen Entwicklungsprozesses, der die Gestaltung einer verbesserten Lebenswirklichkeit über entsprechende Angebote mit der Ermöglichung von Selbstwirksamkeitserfahrungen verbindet, erfordert, dass junge Menschen als Expert_innen ihrer eigenen Lebenswelt auftreten und konkrete Vorschläge und Ideen zur Verbesserung ihres Umfeldes in die Tat umsetzen können. Daher sollten Kinder und Jugendliche aus Sicht der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung darin unterstützt werden, sich Orte des Sozialraumes zu eigen zu machen und zu gestalten. Dabei haben das Prinzip der Aneignung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und die entsprechenden Methoden der Beteiligung eine besondere Bedeutung.
Das heißt auch, dass die verschiedenen Potenziale der Akteur_innen auf den Aufbau und die Weiterentwicklung entsprechender Beteiligungsstrukturen abzielen und so entsprechende Voraussetzungen schaffen müssen. Um die Fachkräfte auch für diese Anforderungen angemessen zu rüsten, wurden von Beginn des Projektes an Angebote für eine entsprechende Qualifizierung vorgesehen.
Öffentlichkeit
Hier ging es um die besondere Eignung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung für die Übernahme einer koordinierenden Funktion bei der Gestaltung bedarfsorientierter Bildungslandschaften. Dass dazu noch kaum Erfahrungswerte vorliegen, ist der Tatsache geschuldet, dass Offene Kinder- und Jugendarbeit und Schule gesellschaftlich unterschiedlich bewertet werden. Die Schule als System der formalen Bildung hat dieser Wahrnehmung nach einen höheren Stellenwert als die non-formale und informelle Bildung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Darüber hinaus wird die Offene Kinder- und Jugendarbeit meist weniger mit non-formaler Bildung und Aneignungslernen als vielmehr mit reiner Freizeitgestaltung („Kicker und Billard“) in Verbindung gebracht. Wie die Familienbildung im Sozialraum agiert, ist oft gar nicht bekannt. An dieser Stelle ist also Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Kultivierung des fachpolitischen Bewusstseins nach innen ist ein wichtiger Qualitätsfaktor für die Offene Kinder- und Jugendarbeit und die Familienbildung, der durch die gegenwärtigen bildungspolitischen Entwicklungen an Bedeutung gewinnt. Um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit und die Familienbildung die Rolle wahrnehmen kann, gehörte das Sichtbarmachen ihrer Eignung im Sinne der Adressat_innen zu den Ansätzen des Projektes.
Dafür mussten sich die Fachkräfte aus der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienbildung ihrer eigenen Expertise verstärkt bewusst werden. Mit moderierten Netzwerktreffen sowie gemeinsamen Projekten und Fortbildungen zielte das Projekt auf die Schaffung von Rahmen zur Erarbeitung und Reflexion des eigenen Profils als Bildungsanbieter_in. Zudem ging es darum, die Fachkräfte mit den entsprechenden Kompetenzen auszustatten und Wege zu finden, um die Offene Kinder- und Jugendarbeit und die Familienbildung in Sozialraum, (Fach-)Öffentlichkeit und Politik bekannter zu machen. Anvisierte Ansätze dafür waren etwa Aktionen, Maßnahmen und Projekte vor Ort, die klassische Zusammenarbeit mit der Lokalpresse sowie die Erkundung neuer Kanäle in den neuen Medien sowie die Mitarbeit in verschiedenen Gremien, Fachveranstaltungen und Vorträgen.